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Science Fiction ohne Science (#3): Iron Sky

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Wenn ich schon eine Reihe von Rezensionen über SciFi-Filme mache, bei denen das „Sci“ ein wenig zu kurz kommt, darf natürlich Iron Sky in der Liste nicht fehlen. Allerdings ist bei Iron Sky das Defizit an Wissenschaftlichkeit natürlich gewollt.

Was machen finnische Trekkies und Regisseure, die Star-Trek-Parodien mit billigem Video-Equipment im heimischen Keller drehen, wenn sie sich langweilen? Sie träumen von Filmen über Weltraumnazis auf dem Mond mit Udo Kier als dem „Mondführer“. Und was tun Trekkie-Regisseure, die Star-Trek-Parodien mit billigem Video-Equipment im heimischen Keller drehen, wenn man ihnen Geld für Größeres gibt? Sie drehen Filme über Weltraumnazis auf dem Mond mit Udo Kier als dem Mondführer.

Die Story hinter Iron Sky ist so flach wie schnell umrissen. Amerika entscheidet sich, eine neue Mondmission zu starten, denn das soll der amerikanischen Präsidentin (die Sarah Palin verdächtig ähnlich sieht) die Wiederwahl sichern. Aus diesem Grund wird das schwarze Fotomodell James Washington mitgeschickt, der zwar keine Ahnung von Raumfahrt hat, aber für hübsche Fotos von der Mission sorgen soll. Inoffiziell sollen die Astronauten auf dem Mond außerdem nach „Helium-3“ suchen, einem seltenen Helium-Isotop, das für die Kernfusion interessant ist.

Womit auf der Erde niemand gerechnet hat, ist dass sich auf der dunklen Seite des Mondes eine Kolonie der Nazis befindet. Und zwar keine „Neo“-Nazis, sondern ganz echte, klassische Nazis. Unter „Mondführer“ Wolfgang Kortzfleisch graben sie unter anderem schon seit Jahrzehnten nach Helium-3 und haben es außerdem auf einen recht beeindruckenden technologischen Stand gebracht. James Washington wird von den Nazis gefangen und verhört, und der Nazi-Nachrichtendienstler Klaus Adler sieht den idealen Vorwand, eine Invasion der Erde zu starten. Das wird unter anderem deshalb möglich, weil James Washington sein Smartphone dabei hat, welches den (natürlich) ebenfalls anwesenden verrückten Wissenschaftler Dr. Richter fasziniert, hat es doch ein Vielfaches der Rechenkapazität eines jeden Computers auf dem Mond. Mit Hilfe der Computertechnologie der Erde hoffen die Mondnazis, ihr mächtigstes Kriegsraumschiff in die Luft, Verzeihung, ins Vakuum des Alls zu bringen: die Götterdämmerung, eine riesige fliegende Untertasse, die direkt den feuchtesten Träumen der Steampunk-Fans des Planeten entsprungen zu sein scheint.

Natürlich ist die Story von Iron Sky von vorne bis hinten lächerlich. Und über die physikalische Seite müssen wir uns auch nicht unterhalten: eine Mondmission landet normalerweise nicht auf der „dunklen“ Seite des Mondes, weil von hier kein Funkkontakt zur Erde möglich ist, und man findet Helium-3 auch nicht einfach so im Boden, denn es ist ein hochflüchtiges Edelgas (das außerdem ohne aufwendige Techniken nicht von der „normalen“ Sorte Helium-4 zu unterscheiden ist). Und warum ein Astronaut ein Mobiltelefon mit in den Weltraum nehmen sollte, wo es nun wahrlich keine Netz-Abdeckung gibt, wissen wohl nicht einmal die Macher von Iron Sky. Aber wer die Blödsinnigkeit der Story kritisiert, hat den Film meiner Meinung nach schlicht nicht verstanden.

Iron Sky ist infantil, und das ist ausnahmsweise einmal nicht negativ gemeint. Der ganze Film ist eine Karikatur von allem Möglichen: des westlichen Wirtschafts-Imperialismus, der Filmindustrie, der amerikanischen Wahlkampf-Maschinerie, von Verschwörungs-Theoretikern (von denen einige ernsthaft die Möglichkeit einer Nazi-Mondbasis diskutieren) und ja, nicht zuletzt des Nationalsozialismus. Die Macher hatten einen Heidenspaß an der Sache, und das merkt man dem Ergebnis an. Auch die Tatsache, dass die Nazis tatsächlich von Deutschen gespielt werden, die sich ebenfalls offenkundig mit großer Motivation an dem absurden Projekt beteiligten, ist sehr positiv. Dass deutsche Bösewichte von Deutschen gespielt werden ist auch ein angenehmer Kontrast zu amerikanischen Produktionen wie Die Hard 3 (wo der Autor tatsächlich die Untertitel der DVD benötigte, um herauszufinden, was Jeremy Irons nun eigentlich sagen wollte).

Dass auch andere Länder gute Schauspieler zu bieten haben, hat Hollywood zwar unter anderem durch Quentin Tarantino gelernt, der den stets brillanten und charismatischen Österreicher Christoph Waltz einem Millionenpublikum bekannt gemacht hat, aber trotzdem wird bis heute vornehmlich beim Publikum auf den Wiedererkennungswert bekannter (amerikanischer) Schauspielergrößen gesetzt, weshalb eine internationale Produktion wie Iron Sky auch heute noch einen angenehmen Kontrast zu Hollywood darstellt. Einen Christoph Waltz kann Iron Sky zwar nicht vorweisen, aber einige durchaus bekannte Namen dann doch: Udo Kier wurde bereits erwähnt, Götz Otto spielt den Nachrichtendienstler Adler, und die hinreißende Julia Dietze (die in der Vergangenheit u.a. in „1½ Ritter“ Till Schweiger betören durfte) spielt die idealistische Lehrerin Renate Richter, für die Hitler ein Humanist war und „Der große Dikator“ keine beißende Satire, sondern eine 10minütige Hommage an ihren geliebten Führer ist (was vielleicht damit zusammenhängen mag, dass die Mondversion des Films etwa 115 Minuten kürzer ist als die irdische).

Die Legende besagt übrigens, dass die Macher um Timo Vuorensola vor einigen Jahren zusammen in einer Sauna saßen und darüber nachdachten, was sie als nächstes machen wollten, und dass von Jarmo Puskala dann die Idee mit den Mondnazis kam. Vuorensola war skeptisch: „Ja, genau... aber dann muss Udo Kier den Mondführer spielen und Laibach die Musik machen.“ Einige Zeit später rief ein Vertreter des finnischen Filmstudios Blindspot Pictures an und fragte, was die „Star Wreck“-Macher als nächstes vorhätten. Der Rest ist Geschichte: Iron Sky wurde gedreht, als internationale Kooperation und mit Hilfe von Crowd Funding, Udo Kier spielte den Mondführer Wolfgang Kortzfleisch und Laibach lieferte die Musik.

Einige Kritiker haben Iron Sky mangelndes Niveau vorgeworfen. Tatsächlich scheiden sich an dem Film die Geister der Kritiker. Die einen sind hellauf begeistert über die Respektlosigkeit und die vielen Zitate sowohl aktuellen Zeitgeschehens als auch einschlägiger Filmklassiker wie z.B. dem „Untergang“ mit Bruno Ganz. Die anderen werfen der Produktion mangelndes Niveau, Pennäler-Humor und eine geistlose Aneinanderreihung von mitunter recht flachen Gags vor. Letztlich stimmt beides, doch ist eine gewisse Niveaulosigkeit eigentlich schon fast Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Satire, und die Story ist beinahe immer reine Nebensache: auch Kultfilme wie „Space Balls“ von Mel Brooks gewinnen bei näherer Betrachtung wahrlich keine Preise für intellektuellen Anspruch. Letztlich will Iron Sky vor allem eines: unterhalten. Und das gelingt dem Film denn auch ziemlich gut, wenn man sich auf ihn einlässt. Wer im Verlaufe der gut 90 Minuten nicht wenigstens ein paar Mal laut schallend loslacht, sollte vielleicht einmal sein Humorzentrum untersuchen lassen.


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