Der Vorteil von „Sneak“-Premieren im Kino ist, daß man für relativ kleines Geld so manchen Film zu sehen bekommt, den man unter normalen Umständen niemals angesehen hätte. Der Nachteil von Sneak-Premieren im Kino besteht auf der anderen Seite darin, daß man Geld für so manchen Film ausgibt, den man unter normalen Umständen auf gar keinen Fall angesehen hätte. Ein Fall für die zweite Kategorie ist „Big Stan“ von Rob Schneider.
Schneider ist hierzulande verdienterweise eher unbekannt. Am ehesten erinnert man sich vielleicht noch an sein cineastisches Meisterwerk „Rent a Man“. Und dies ist leider keine Untertreibung: verglichen mit „Big Stan“ ist sein Film über einen Möchtegern-Gigolo tatsächlich ein Kleinod der Kino-Unterhaltung.
Die Sneak-Preview in der örtlichen Filiale der „United Cinemas International“-Kette wird üblicherweise garniert durch die einleitende „Moderation“ zweier Pseudo-Proleten, die mit Paaren im Publikum so unterhaltsame und anspruchsvolle Ratespiele wie „blank, Busch oder Strich“ und „Schnecke oder U?“ spielen, auch mal ihre persönliche Hitliste der dämlichsten Pornotitel vorlesen („Zunge weg, ich furze!“) und sich ganz allgemein die größte Mühe geben, das Niveau auf einen Punkt abzusenken, von dem betrachtet jedes noch so miese Stück Kino-„Unterhaltung“ wie ein Geniestreich anmutet. Der geübte Sneak-Besucher nimmt sich also üblicherweise etwas zu lesen mit oder ignoriert auf andere Art nach Kräften die ersten 20 bis 30 Minuten des Abends in der Hoffnung, daß der folgende Film für die vorangehende Verbalbelästigung wenigstens leidlich entschädigt. Manchmal ist diese Hoffnung auch gerechtfertigt. Und manchmal gibt es Filme wie „Big Stan“.
Big Stan, das ist Stan Minton. Ein zwielichtiger Immobilienhai, der davon lebt, alten Damen das letzte Ersparte aus der Tasche zu ziehen. Stan wird gleich zu Beginn des Films verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe wegen Betruges verhaftet. Sein Verteidiger, gespielt vom einstmals grandiosen M. Emmet Walsh („Blade Runner“, „Blood Simple“) mit der vielleicht fürchterlichsten Schauspielleistung seines Lebens, holt durch Bestechung einen Haftaufschub heraus, kann aber an der gesetzlichen Mindeststrafe von drei Jahren auch nichts ändern. Stan muß trotzdem in den Bau, kann sich aber nun ein halbes Jahr lang darauf vorbereiten.
Vorbereitung, daß heißt für Stan, etwas gegen seine größte Angst zu unternehmen: im Gefängnis vergewaltigt zu werden. Also heuert er die Hilfe des „Meisters“ an (David Carradine), eines kettenrauchenden Kampfkünstlers mit nikotingelben Fingern und einer reihe weiterer ekeliger Eigenschaften. Die deutliche Aussage über die negativen Folgen des Rauchens (hier: Nervenschäden, Impotenz) ist vielleicht das einzig Positive an dieser Figur, die sonst eher als Aufhänger für sinnlose Gewalt, gebrochene Gliedmaßen und diverse Ekelszenen dient.
Insgesamt ist damit der „Humor“ des Films übrigens schon recht treffend umschrieben: Körperflüssigkeiten, Gewalt, Rassismus und platte sexuelle Anspielungen. Die diversen Poposex- und Vergewaltigungsreferenzen werden durch dutzendfache Wiederholung auch nicht unbedingt amüsanter. Gekrönt wird das ganze durch den Titelhelden: der Hänfling Schneider verbringt einen größeren Teil des Films damit, im Gefängnis Gegner nach Strich und Faden zu vermöbeln, die in etwa drei- bis viermal so groß sind wie er, während die anderen Insassen brav der Reihe nach darauf warten, sich ebenfalls verhauen zu lassen. Das mag vielleicht auf dem Papier des Drehbuchs auf die Macher amüsant gewirkt haben, im der filmischen Umsetzung funktioniert es aber absolut nicht. Man fragt sich die ganze Zeit eher, ob Schneider (immerhin Regisseur und Hauptdarsteller) vielleicht meint, irgendetwas kompensieren zu müssen.
Bleibt als Fazit: „vermeiden“. Ich hätte jetzt beinahe dazu geschrieben „unter allen Umständen“, aber das wäre dann doch unfair. Es gibt wirklich unangenehmere Erfahrungen im Leben (zum Beispiel eine Wurzelbehandlung) sowie auch Filme, die einen noch flacheren Spannungsbogen aufweisen als „Big Stan“. Man denke nur an das Video-Blog der deutschen Bundeskanzlerin. Es gibt also tatsächlich Beispiele für schlimmere und auch langweiligere Erlebnisse als „Big Stan“... wenn man nur lange genug sucht. Auf der anderen Seite wird Schneiders Machwerk, daß in den USA übrigens schon vor zwei Jahren und direkt auf DVD veröffentlicht wurde, in Sachen Unterhaltungswert von jeder Neujahrs-Ansprache des Bundespräsidenten locker übertroffen.