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Fremdschäm-Kitsch-Romantik

Gestern war wieder Sneak-Preview im Bochumer UCI. Dort einmal einen guten Film sehen zu wollen, gleicht beinahe der Aussicht, im Klondike-River auf ein hühnereigroßes Goldnugget zu stoßen. Trotzdem gibt es gelegentliche positive Ausnahmen (zum Beispiel „Kick-Ass“ letzte Woche), und man sieht gelegentlich auch mal brauchbare Filme, die nicht dem gewöhnlichen Beuteschema entsprechen. Die gestrige Vorstellung gehörte aber leider nicht dazu.

Die Geschichte, die „Zu scharf, um wahr zu sein“ („She's out of my league“) erzählt, gleicht ein wenig einer männlichen Version von Aschenputtel, leider garniert mit einer gehörigen Portion „Dumm und Dümmer“. Es geht um den unscheinbaren Flughafen-Mitarbeiter Kirk, in den sich aus heiterem Himmel die schöne Event-Managerin Molly verliebt. Diese ist, so die Meinung von Kirks Familie und Freunden (und auch ihm selbst), einfach „zu scharf, um wahr zu sein“, oder schlicht eine Nummer zu groß für ihn (so der englische Titel).

Kirk (Jay Baruchel) ist schlaksig, unscheinbar, extremst schüchtern und hat in seinem Leben bisher nicht viel erreicht. Er gehört zum Sicherheitspersonal des Flughafens von Pittsburgh (weil ihm ein Kumpel den Job verschafft hat). Er hat nie studiert und besitzt auch sonst keinerlei besonderen Talente. Einzig das Starten und Landen der Flugzeuge läßt ihn von Höherem träumen, nämlich Pilot zu werden. Andererseits hat sich Kirk längst mit seinem miesen Leben abgefunden: mit der Proll-Familie wie aus dem Bilderbuch, mit der weiter auf ihm herumtrampelnden Ex-Freundin und mit der allgemeinen Perspektivlosigkeit. Seine Freunde sind wie er Außenseiter, die davon träumen, etwas besonderes zu sein oder zu erleben. Auf die Liaison mit Molly reagieren sie zuerst ungläubig, dann neidisch, dann skeptisch. Absolut niemand ist der Meinung, daß die Beziehung von Dauer sein kann.

Molly (Alice Eve) ist das genaue Gegenteil von Kirk. Sie ist schön, selbstbewußt und erfolgreich. Sie ist zudem studierte Anwältin, die allerdings mittlerweile auf Event-Management umgesattelt hat. Ihre Eltern sind wohlhabend, und ihr Ex-Freund ist ein geradezu unverschämt gutaussehender Pilot (gespielt von Geoff Stults). Sowohl Ex-Freund Cam als auch ihre beste Freundin Patty (Krysten Ritter) und ihre Eltern sind letztlich derselben Meinung wie Kirks Familie und Freunde: das mit den beiden kann einfach nicht gut gehen.

Wer bis hierher vielleicht noch gehofft hat, der Film könne eine ganz nette Filmromanze sein, wird leider beim Kino-Besuch herbe enttäuscht. Der Film ist über weite Strecken nur auf (äußerst platte) Gags aus, die Charaktere (allen voran Molly) bleiben unglaubwürdig und papierdünn. Die Story ist als solche bereits ungefähr so glaubwürdig wie die Unschuldsbeteuerungen von bestimmten katholischen Bischöfen, und leider geben sich weder Drehbuch noch Schauspieler noch Regie die geringste Mühe, daran etwas zu ändern.

Den größten Teil des Films ist man mit Fremdschämen für die Akteure beschäftigt, allen voran Kirks Familie, welche den Eindruck erweckt, aus einem noch nicht veröffentlichten Remake von „Beverly Hillbillies“ herausgebeamt worden zu sein. Die Komik ist flach, die Witze zotig: wer meint, der Haargel-Gag aus „Verrückt nach Mary“ sei nicht mehr zu unterbieten, wird hier ebenfalls eines besseren belehrt.

Eine Charakter-Entwicklung, die erklären könnte, warum Kirk und Molly schlußendlich doch noch das (unvermeidliche) Happy-End ansteuern, findet schlicht nicht statt. Im Gegenteil trifft die Einschätzung von Kirks Kumpeln vom Anfang des Films („Du bist doch gar kein Mann, du bist ein Pudel: Frauen gehen gerne mit dir aus und knuddeln dich zwischendurch. Aber mehr nicht“) am Ende immer noch genauso zu wie am Anfang. Molly dagegen ist einfach... perfekt, von Anfang an. Auch wenn im Film ein-, zweimal versucht wird, dies zu thematisieren (Molly findet sich selbst alles andere als vollkommen, jawohl!), bleibt es beim Versuch, und Molly bleibt letztlich doch: das Abziehbild des Clichés der perfekten Frau.

Was dem Film letztlich also vor allem fehlt, sind Glaubwürdigkeit und Charme. Der Zuschauer bleibt emotional auf Distanz. Nimmt man den (eigentlich nicht vorhandenen) Spannungsbogen hinzu, dessen Krümmung vielleicht gerade noch von einem Fußballfeld in Ostfriesland unterboten wird, bleiben 104 überaus zähe Minuten im Kino, die man anderweitig besser, produktiver und unterhaltsamer nutzen kann. Zum Beispiel damit, der Waschmaschine beim Kochprogramm zuzusehen. Oder das Telefonbuch von Bochum-Wattenscheid auswendig zu lernen.

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