Gestern habe ich es tatsächlich noch geschafft, in „Drachenzähmen leicht gemacht“ zu gehen. Der läuft schon eine Weile und wird wohl bald aus den Kinos verschwinden: schade eigentlich.
Es gibt in England eine Kinderbuch-Reihe mit dem Titel „How To Train Your Dragon“ der Autorin Cressida Cowell. Die Reihe ist hierzulande kaum bekannt, was sich aber in nächster Zeit ändern mag. Die Bücher drehen sich um den jungen Wikinger Hiccup Horrendous Haddock III („Schluckauf Furchtbarer Schellfisch der Dritte“), der sich zu Beginn der Serie einen eigenen Drachen fangen muß, um in seinen Wikinger-Stamm aufgenommen zu werden. Der Drache „Toothless“ („Ohnezahn“) ist winzig klein und hat, wie sein Name andeutet, keine Zähne. Die Buchreihe besteht wie gesagt aus klassischen Kinderbüchern. In großer Schrift und verziert mit allerlei Zeichnungen, wenden sich die Bücher an junge Leser von vielleicht 9 bis 10 Jahren.
Die Umsetzung für's Kino wurde dagegen etwas „erwachsener“ gemacht. Der Titelheld („Hicks“ in der deutschen Version) ist mindestens 12 Jahre alt, und er wird von den anderen Bewohnern seines Dorfes absolut nicht ernst genommen. Denn Hicks ist schlaksig, schwach und noch dazu tollpatschig, kurz eine laufende Katastrophe: die erwachsenen Wikinger begeben sich lieber auf die gefährliche Suche nach den verfeindeten Drachen, als freiwillig auf ihn aufzupassen. Die von allen Jungs im Dorf angebetete Astrid würdigt Hicks natürlich zu Anfang auch keines Blicks.
Hicks schafft es im Film, ein Exemplar der seltenen „Nachtschatten“-Drachen vom Himmel zu holen. Dieser büßt dabei ein Schwanzflosse ein und kann nicht mehr richtig fliegen. Hicks freundet sich mit dem Ungeheuer an, das er aufgrund seiner einziehbaren Zähne „Ohnezahn“ tauft, und erfindet eine Flossenprothese, die er von einem Sattel aus steuern kann. Nach einiger Zeit wird aus den beiden ein eingespieltes Team, und Ohnezahn ein treuer Freund für Hicks. Dieser lernt dabei viel über Drachen, was ihn im gleichzeitig stattfindenden Drachentöter-Training einen immensen Vorteil verschafft.
Hicks' Vater hat für die Freundschaft seines Sohnes zu Ohnezahn keinerlei Verständnis, denn die Drachen sind seit 300 Jahren Todfeinde der Wikinger. Als er davon erfährt, setzt er Ohnezahn fest und benutzt ihn, das Drachennest zu finden. Was die Wikinger dort erwartet, ist aber beinahe das Ende des ganzen Stammes, und so braucht es die Hilfe von Hicks und den anderen Jugendlichen im Dorf, die auf Ohnezahn und ein paar „Trainings-Drachen“ reitend den Erwachsenen zu Hilfe eilen.
Das alles mitanzusehen macht ziemlichen Spaß (auch für Erwachsene) und ist tricktechnisch auf der Höhe der Zeit. Wir lernen im Zuge des Films, daß Drachen nicht nur in allerlei Formen zu finden sind, von kleineren Boxerhunden mit Kolibriflügeln bis hin zu riesigen Fledermäusen und fliegenden Rochen, sondern auch viel besser als ihr Ruf. Die verspielten und hochintelligenten Tiere, deren Charakter sich irgendwo zwischen Hunden und Katzen bewegt, sind nämlich eigentlich gar nicht agressiv. Es braucht aber erst den aus der Art geschlagenen Wikinger-Hänfling Hicks, um das herauszufinden.
Die Altersfreigabe ist mit 6 Jahren den deutschen Üblichkeiten folgend absurd gewählt. Entweder sind Filme hierzulande viel zu hoch eingestuft (so hoch, daß die Produzenten die deutschen Versionen verstümmeln, um gerade noch so eine 16er Freigabe zu erhalten oder zumindest die Indizierung zu vermeiden), oder halt viel zu niedrig. Insbesondere Trickfilmen passiert das beinahe immer. „Drachenzähmen“ ist natürlich ein Trickfilm, aber halt nicht unbedingt einer für kleinere Kinder. Explizite Gewalt findet sich zwar recht wenig, aber daß Wikinger und Drachen einander töten, wird durchaus und deutlich thematisiert. So fehlen dem Dorfschmied sowohl ein Bein als auch ein Arm, und Ohnezahn verliert durch Hicks' Angriff ja ebenfalls ein Körperteil. Ich denke, der Film wendet sich an Kinder und Jugendliche ab etwa 12 Jahren, wozu auch die zarte Liebesgeschichte zwischen Hicks und Astrid besser paßt.
Am Ende des Films bleibt letztlich nur noch ein kleineres Problem: wo kriege ich jetzt meinen eigenen Haustier-Drachen her?