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Science Fiction ohne Science (#1): Looper

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In den vergangenen Wochen hatte ich das „Vergnügen“, zwei SciFi-Produktionen des Jahres 2012 auf Datenträger konsumieren zu können: namentlich „Looper“ und die Neuauflage von „Total Recall“. Beides waren Filme, die ich seinerzeit im Kino hatte sehen wollen, bei denen es aber aus verschiedenen Gründen nicht dazu gekommen war. In der Retrospektive war das Heimkino wohl besser: wenigstens gibt es da Alkohol in erreichbarer Nähe. Wir beginnen mit Looper. Wer den Film noch nicht gesehen hat und dies noch tun will, hat jetzt die letzte Chance, mit dem Lesen dieses Textes aufzuhören, denn: beware – there will be spoilers.

Im Jahr 2074 ist die Welt anscheinend ein besserer Ort geworden. Es ist dermaßen schwierig geworden, Leichen zu verstecken, dass Morde beinahe nicht mehr vorkommen. Aber das organisierte Verbrechen, das gibt es natürlich noch, und was ein richtiger Mafiosi ist, der kann natürlich nicht ohne den einen oder anderen Quotentoten auskommen. Da kommt es sehr praktisch, dass Zeitreisen erfunden sind: sie sind natürlich verboten, aber wen kümmert das schon. Eine stromfressende und komplizierte Apparatur wie so eine Zeitmaschine ist im Jahre 2074 auch viel einfacher zu verstecken als ein kompostierbares Stück menschlicher Biomasse, daher ist die Lösung der 2074er Mafia für ihr „Entsorgungsproblem“ ganz einfach.

Wer umgebracht werden soll, wird einfach um 30 Jahre zurück ins Jahr 2044 transportiert. Dort herrschen, irgendwo in der amerikanischen Walachei, nämlich noch Anarchie und Chaos, und ein paar Leichen mehr erregen anscheinend keine Aufmerksamkeit. Ein ebenfalls zurücktransportierter Mini-Mafiosi namens „Abe“ hat deshalb 2044 eine Bande junger Burschen rekrutiert, um die Drecksarbeit zu erledigen: die sogenannten Looper. Jeder Looper erhält von Zeit zu Zeit einen Zeitpunkt genannt, zu dem er an einem für ihn reservierten Ort zu warten hat. Genau zur abgesprochenen Zeit materialisiert sich dann vor seinen Augen das Mafia-Opfer, mit Sack über dem Kopf und einer dicken Bezahlung in Form von Silberbarren auf dem Rücken. Der Looper drückt ab, verscharrt die Leiche und kauft sich von dem vielen Silber dann ganz viel Sex oder die notwendigen Drogen, um seinen Beruf zumindest zeitweise zu vergessen.

Die Sache ist doch ganz simpel und logisch oder? (Die Kopfschmerztabletten sind übrigens im Badezimmerschrank, im dritten Fach von oben.) Weil das Ganze so noch nicht verwirrend genug ist, heißen die Looper aber nicht einfach nur so „Looper“, wörtlich übersetzt „Schleifler“. Denn irgendwann kommt ein Opfer nicht mit Silber, sondern mit Gold auf dem Rücken an, und das war dann der Looper selbst, nur 30 Jahre in der Zukunft. Danach ist der Looper dann in Rente, darf 30 Jahre in Saus und Braus leben, sich also noch viel mehr Sex und Drogen kaufen, und wenn er sich in der Zeit nicht selbst umbringt, wird er von der Mafia gefunden und ins Jahr 2044 zurückgebracht, wo er von sich selbst erschossen wird. Das heißt dann „die (Zeit-)Schleife schließen“. (Die Migräne-Medikamente stehen übrigens hinter den Kopfschmerztabletten.)

In „Looper“ passiert „Joe“ natürlich der ultimative GAU: sein älteres Ich lässt sich von ihm nicht erschießen und haut einfach ab. Denn „Old Joe“ möchte einen Bösewicht töten, bevor dieser überhaupt zum Bösewicht werden kann: der „Regenmacher“ hat sich im Jahr 2074 daran gemacht, sowohl Mafia als auch Looper aus dem Weg zu räumen. Dabei wird Old Joes Frau getötet (wie war das noch mit den unmöglich zu versteckenden Leichen?), weshalb Old Joe auf seinen zeitreisenden Rachefeldzug geht, dabei jedoch natürlich erst einmal sich selbst entwischen muss.

Halten wir also fest: eine Zeitmaschine ist 2074 einfacher zu verstecken als eine Leiche, 2074er Mafiosi schwimmen anscheinend in Edelmetall, Looper werden erst nach 30 Jahren zu gefährlichen Mitwissern und es ist aus irgendeinem Grund sinnvoll, sie sich wissentlich selbst umbringen zu lassen. Wenn ein Looper seine „Loop“ laufen lässt, wird der Looper von Abes Kumpels übrigens normalerweise einkassiert und verstümmelt. Die Verstümmelungen führen nämlich dazu, dass dem älteren Alter Ego dann zum Beispiel schlagartig Gliedmaßen fehlen und es leichter einzufangen ist, aber an der Tatsache, dass da 2044 überhaupt ein doppelter Looper herumspringt, ändert es anscheinend nichts. Hat da jemand gerade Großvater-Paraxodon gesagt? Spielverderber. (Der Schnaps steht übrigens im Wohnzimmerschrank.) Der Looper überlebt die grausame Prozedur normalerweise eh nicht, was die Frage aufwirft, warum Abe ihn eigentlich nicht sofort abmurkst. Denn genau das tut der Protagonist des Films am Ende, um sein eigenes älteres Ich zu stoppen: na also, geht doch. Aber wahrscheinlich geht das nur, wenn der Looper sich selbst umbringt. Abe und seine Kumpels dürfen ihm nur die Nase, Beine und Hände abschneiden.

Und das waren nur die dicksten Klöpse des Films. Das ganze Telekinese-Thema habe ich mir mal gespart, auch wenn es dazu ebenfalls so einiges zu sagen gäbe. Doch das größte Plot-Loch des Films, durch das problemlos ganze Busse passen würden, ist die Zeitreise-Sache, und damit die Story an sich. Denn der Angelpunkt des ganzen Dünnpfiffs ist, dass Old Joe letztlich durch sein Verhalten genau den zukünftigen Bösewicht erschafft, dessen Aufstieg er verhindern will. Aber... in seiner eigenen Vergangenheit hat er sich ja selbst erfolgreich „geloopt“, sonst wäre er im Jahr 2074 ja gar nicht erst unbehelligt angekommen, weshalb der Bösewicht in dieser Zeitlinie auch gar nicht erst existieren sollte. (Spätestens an diesem Punkt helfen keine betäubenden Substanzen mehr, tut mir leid.) In diversen Filmkritiken wurde der Film übrigens spannend, intelligent und sogar „meisterhaft“ genannt... was mich an eine bessere Nutzung der Zeitmaschine 2074 denken lässt: nämlich Filmkritiker des 21. Jahrhunderts ein paar Jahrzehnte zuvor davon zu überzeugen, vielleicht doch besser LKW-Fahrer zu werden.


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